Als grosse Zeit der Völkerschauen in Europa gelten die Jahre zwischen 1870 und 1930. Doch schon im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden fremdländische Menschen an Fürstenhöfen und auf Jahrmärkten einem Publikum präsentiert. Vertreter und Vertreterinnen von heute vergessenen Schaustellerfamilien bestimmten damals und teils bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts das Geschäft mit der Vorführung von Menschen aus fernen Weltgegenden. In dieser Phase entstanden und verbreiteten sich prägende Muster solcher Veranstaltungen: erfolgreiche Typen des «Wilden», zugkräftige Klischees einer wohlfeilen Exotik, Verflechtungen von Tier- und Menschenschauen, und es bildeten sich geschäftliche Strukturen im weiteren Kontext des Unterhaltungsgeschäfts heraus. Die rassistische Grundierung dieser Spektakel kennzeichnet auch die nachfolgenden, trotz des pädagogischen und wissenschaftlichen Anstrichs, womit diese veredelt wurden.
Diesen Wurzeln der späteren spektakulären Inszenierungen mit Dutzenden von Teilnehmenden, verschiedensten Tieren, Geräten und grossen Kulissen ging die 2019 verstorbene Zürcher Autorin Rea Brändle in ihrem letzten Buch nach. Der Band enthält ausserdem eine Liste mit rund 3500 Einträgen, die sämtliche Völkerschauen in Europa verzeichnet, auf die die Autorin im Laufe ihrer dreissigjährigen Beschäftigung mit dem Thema gestossen war.