In seinem Buch »Das blutige Auge des Platzspitzhirschs« erzählt der Arzt André Seidenberg von über vierzig Jahren im täglichen Umgang mit Drogenkonsum, Drogensucht und Aids. Mit großer Empathie und Sinn für authentische Beschreibung, Timing und Dramaturgie lässt er seine Leser eintauchen in eine Welt, die kaum möglich erscheint, aber so existiert hat und es vielerorts immer noch tut.
Es beginnt Ende der 1960er-Jahre mit kiffenden Hippies an der Zürcher Riviera und führt über die ersten Heroin-Abhängigen in den 1970er-Jahre in die 90er-Jahre mit der größten offenen Drogenszene der Welt im Platzspitz-Park. André Seidenberg beschreibt anhand von kurzen, prägnanten Anekdoten zu einzelnen Protagonisten alle Phasen des Krieges gegen Drogenkonsumenten, die Einführung der nachfragedeckenden Methadon-Versorgung, die Heroinabgabe und die allgemeinen Veränderung im Drogenkonsum in den Nuller-Jahren. Die Kapitel sind höchst anschaulich erzählt, selbstverständlich wahr, doch so verändert, dass das Arztgeheimnis gewahrt bleibt.
Es gab zu Zeiten des weltweit berüchtigten Platzspitz in Zürich nicht viele Drogensüchtige, die nicht mindestens einmal vom Arzt André Seidenberg behandelt wurden. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass es in der Schweiz eine großzügige Methadon-Politik sowie auch ärztlich verordnetes Heroin gibt. Sein Credo lautet: Freiheit und kontrollierte Sicherheit müssen in der Behandlung von Sucht und Seuchen gegeneinander abgewogen werden.