Jurek Becker gehört zu den großen deutschen Schriftstellern nach 1945. Daß er überhaupt ein deutscher Schriftsteller wurde, war jedoch keineswegs selbstverständlich. »Ich bin in Polen geboren, in der unschönen Stadt Lodz, als Kind von Eltern mit, wie man sagt, jüdischem Hintergrund. Der ist, ob ich will oder nicht, somit auch mein Hintergrund. Und wenn nicht bald nach meiner Geburt die deutsche Wehrmacht gekommen wäre, wenn sie nicht das Land besetzt und meine Eltern und mich in ein Ghetto und später in verschiedene Konzentrationslager gesteckt hätte, wenn die Rote Armee nicht das Lager Sachsenhausen, wo ich zuletzt weilte, befreit hätte, dann möchte ich nicht wissen, als was und vor wem ich heute stehen würde.« Jurek Becker aber wußte, als was und vor wem er stand - davon zeugen seine Aufsätze, Vorträge und Interviews. In der vorliegenden Sammlung findet das Selbst- und Weltverständnis dieses außergewöhnlichen Autors Ausdruck, der wie kein anderer die deutschen Verhältnisse in Ost und West, einst und jetzt, auszuloten vermochte - in der ihm eigenen seltenen Balance von sprachlicher Prägnanz, Witz und Klarsicht.
Mein Vater, die Deutschen und ich basiert auf dem von Jurek Becker 1996 zusammengestellten Band Ende des Größenwahns. Die Neuausgabe enthält zudem wichtige Interviews, darunter jene, die ein Publikationsverbot in der DDR provozierten, sowie zahlreiche Texte aus dem Nachlaß, u. a. »Wie es zu Jakob dem Lügner kam«.
»Becker war ... ein verbaler Artist, er konnte sich jederzeit und unter allen Umständen auf die deutsche Sprache verlassen und die Sprache sich auf ihn.«