Das bildhauerische Werk von Gianpietro Carlesso (* 1961 in Bozen) steht handwerklich und technisch gesehen in der Tradition der altmeisterlichen Skulptur. Inhaltlich und formal dagegen positioniert es sich als ein interdisziplinäres geistiges Instrument zur Deutung der Welt und des Daseins. Fundamental für dieses Werk ist die Herstellung zuverlässiger Beziehungen zwischen geistes- und naturwissenschaftlichen Fragen, zwischen materieller Gegebenheit und Imagination, Endlichkeit und Unendlichkeit.
Ausgehend von der Verbindung von Materialien wie Stein, Marmor und Eisen entstanden auf diese Weise während der letzten dreißig Jahre zunächst die weichen Formen, anschließend die Decostruzioni, die Pflanzen- und Samenformen und zuletzt die Curvature. Der Mensch ist hier stets der Adressat und das Gegenüber und demnach im Werk selbst nie figurativ präsent.
Bei der Skulptur von Carlesso handelt es sich um Additionsplastik beziehungsweise um ein skulpturales Verschränken von Fülle und Leere, von organischen oder abstrakten Strukturen in einem Netz von Beziehungen zwischen den einzelnen Teilen und dem Großen Ganzen. Der Betrachter ist mit einer Manifestation komplexer Zusammenhänge zwischen dem Präsenzerlebnis eines Werkes und seiner figürlichen Gestalt konfrontiert. In ihrer Beschaffenheit und Gegenwärtigkeit erweisen sich diese Skulpturen als zeitlose Fragmente einer Totalität: Das Ganze als Teil.
In terms of craftsmanship and technique, the sculptural oeuvre of Gianpietro Carlesso (*1961 in Bolzano) follows in the steps of Old Master sculpture. With respect to content and form, however, the artist concentrates on contemporary ways to express himself in his medium. Fundamental to his work are the relationships between intellectual and scientific questions, reality and imagination, the finite and the infinite.
Carlesso begins by combining materials such as stone, marble, and iron. Over the past thirty years he has used this method to produce, first, the Weiche Formen (Soft Forms), then the Decostruzioni (Deconstructions), the Plant and Seed Forms, and finally the Curvatures. Although Carlesso's art always addresses the human being, people are never directly recognizable in his works. For the observer, this opens up complex associations between the experience of a work and its figurative form.