Es ist Zielinski, der da aus dem Nichts heraus Einzug in die Wohnung eines allein lebenden Mannes hält. Zielinski, der gepflegte, höfliche Fremde lebt fortan in einer mit blauem Samt ausgeschlagenen Holzkiste, im größten Zimmer des erzählenden Protagonisten. Es riecht nach Holz. Riecht es wirklich nach Holz? Zielinskis Stimme ist schön. Spricht Zielinski wirklich?
Dieser Roman stellt auf eine raffinierte, absurd witzige und mitreißende Weise dar, wie Phantasien und Systeme greifen, wie es funktioniert, sich selbst voll und ganz in eine verheerende Idee zu verstricken, sich sogar in sie zu verlieben. "Zielinski" ist die Geschichte einer sich obsessiv-wahnhaft steigernden Selbstentfremdung, dargestellt auf eine solch eindringliche und logische Weise, dass man als Leser schwerlich noch in Begrifflichkeiten wie "falsch und richtig" oder "gut und böse" mit- oder dagegendenken kann. Nahezu unbemerkt von seinem sozialen Umfeld zieht sich ein Mensch Schritt für Schritt zurück, er kippt aus dem alltäglichen Leben.
Dieser Roman ist ein poetischer Seelenkrimi, ein sich immer enger schnürender und ein immer schneller drehender Erzähl- und Mahlstrom. Eine virtuose, radikale Verschiebung des Seins, der Wahrnehmung.
Nina Jäckle versteht es, mit sparsam eingesetzten Kunstmitteln und der ihr eigenen, eindringlichen und sensiblen Sprachführung, den Protagonisten einer bis zum Erschrecken folgerichtigen Entwicklung auszusetzen, ganz so, dass einem beim Lesen schier der Atem stockt. Und sie führt beispielhaft vor, dass es nur einer kleinen, außerordentlichen Setzung bedarf, um aus der Welt des Vermittelbaren hinauszufallen, inmitten einer individualisierten Gesellschaft, die für den Einzelnen keine Augen mehr hat.
»Anatomie einer Selbstentfremdung? Nina Jäckles Roman »Zielinski« ist die gelungene Beschreibung eines Zerfalls. Dass die Autorin auf künstlich aufgesetzte 'Thriller'-Elemente zu Gunsten der Erzählung (und letztlich dem 'Wohl' der Hauptfigur) verzichtet, kann ihr nicht hoch genug angerechnet werden. Sie widersteht auch der Versuchung ins Skurrile abzudriften oder beispielweise über die Bestrafungsszenen sexuelle Konnotationen möglich zu machen. Gängige Deutungsmuster funktionieren hier nicht. 'Zielinski' ist keinesfalls so harmlos, wie es zunächst scheint. Es ist ein Buch für Freunde des sanften, des nachhaltigen Schauderns.«